Lipödem – Welche Symptome und Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Ein Gastbeitrag von Dr. med Christoph Reis über die Krankheit Lipödem, die lange nicht als solche anerkannt wurde. In diesem Beitrag berichtet Dr. Reis von Symptomen und möglichen Behandlungen für Betroffene.
Was ist ein Lipödem und welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Auch wenn das Lipödem lange Zeit nicht als Krankheit anerkannt wurde, ist die Zahl der Betroffenen sehr hoch. In Deutschland geht man von etwa 3,8 Millionen Menschen aus, die unter einem Lipödem leiden. Tatsächlich wird noch eine viel größere Dunkelziffer vermutet, da die Erkrankung des Fettgewebes immer noch nicht überall bekannt ist und oft mit starkem Übergewicht und fehlender Bewegung abgetan wird. Die Diagnose „Lipödem“ wird selbst von Ärzten meist erst nach einem langen Leidensweg gestellt.
Was versteht man unter Lipödem?
Lipödem ist eine Krankheit, die fast ausschließlich bei Frauen, vor allem im Alter von 30 bis 40 Jahren auftritt. Die Verteilung des Fettgewebes ist bei den Betroffenen gestört, sodass sich die Fettzellen ungebremst vergrößern und teils schmerzhafte Schwellungen und Flüssigkeitseinlagerungen entstehen.
Die Erkrankung betrifft überwiegend die Beine und den Gesäßbereich, kann aber in etwa 30% der Fälle auch die Oberarme betreffen. Da die Füße und der Bauch zum Beispiel nicht erkranken, wirkt der Körper der Betroffenen oftmals unproportional.
Lipödem ist eine chronische Krankheit, die immer weiter und langsam voranschreitet und sich nicht vollständig heilen lässt. Laut Definition handelt es sich bei der Fettverteilungsstörung erst um ein krankhaftes Lipödem, wenn spürbare Beschwerden hinzukommen. Dies äußert sich indem zum Beispiel die Haut berührungsempfindlich ist oder die Patienten ein unangenehmes Druck- oder Spannungsgefühl in der betroffenen Körperregion bemerken.
Manchmal wird die Krankheit mit dem sogenannten „Lymphödem“ verwechselt, welches im Gegensatz zum Lipödem auf degenerative Lymphgefäße zurückzuführen ist. Zudem ist bei dem Lymphödem meist nur ein Bein betroffen, wobei auch die Füße geschwollen sind. Die betroffenen Körperpartien sind beim Lymphödem in der Regel nicht schmerzhaft.
Was sind die Ursachen für ein Lipödem?
Bei Betroffenen vergrößert sich das Fettgewebe der Unterhaut vorwiegend an den Beinen, wodurch die Unterhaut dicker wird. Außerdem entstehen oftmals feste Knötchen im Gewebe, da sich die Fettzellen zu mehreren Läppchen strukturieren. Zusätzlich gelangt durch eine erhöhte Durchlässigkeit der Blutkapillaren mehr Flüssigkeit ins umliegende Fettgwebe und Ödeme entstehen, falls der Abtransport nicht mehr ausreicht. Das Gewebe beginnt aufgrund der Wasseranstauung zu spannen und zu schmerzen.
Es ist nicht eindeutig geklärt, welche Ursachen zu Lipödemen führen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Erkrankung des Fettgewebes unter anderem genetisch und hormonell bedingt ist.
Es hat sich gezeigt, dass Lipödeme verstärkt auftreten, wenn es in der Familie bereits einen Fall gibt. Auch ist das Voranschreiten eines Lipödems nach einer hormonellen Umstellung, wie in der Pubertät, bei einer Schwangerschaft oder bei der Einnahme der Pille auffällig. Einen Einfluss auf die Entstehung eines Lipödems durch eine kalorienreiche Ernährung konnte bisher nicht festgestellt werden. Allerdings kann eine unausgewogene Ernährung die Erkrankung verschlimmern.
Welche Symptome treten auf und welche Stadien gibt es?
Wie bereits beschrieben, ist die ungleichmäßige Fettverteilung vor allen an den Oberschenkeln charakteristisch für ein Lipödem. Im Extremfall können somit zwischen Ober- und Unterkörper einer Person mehrere Konfektionsgrößen liegen. Hinzu kommen andauernde Schmerzen und/oder Druckempfindlichkeit an den betroffenen Stellen, was Betroffene mehr oder weniger stark im Alltag beeinflussen kann. Hierbei ist zu beachten, dass auch Betroffene in frühen Stadien und relativ „dünner“ Lipödeme bereits starke Schmerzen verspüren können.
Typisch für unter dieser Krankheit leidenden Menschen sind zudem knotige Dellen der Haut, vermehrte Blutergüsse und müde, schwere Beine. Weitere Symptome können eine kalte Hautoberfläche sein.
Als Langzeitfolge kann ein Lipödem zu Veränderungen des Gangbildes und somit sogar zu Fehlstellungen und zu vorzeitiger Arthrose führen. Lipödeme treten symmetrisch auf, das heißt, dass beide Körperseiten gleichermaßen betroffen sind.
Wie erkennen Betroffene oder Ärzte ein Lipödem?
Die Symptome sind bei dieser voranschreitenden Krankheit nicht eindeutig, sodass die Beschwerden gerade anfangs als Übergewicht fehlgedeutet werden können. Die Diagnose wird daher oft erst im späteren Krankheitsverlauf gestellt. Dies geschieht maßgeblich durch die Anamnese, das optische, unproportionierte Erscheinungsbild und auch eine körperliche Untersuchung. Es gibt einige „Leitsymptome“, welche ausschlaggebend für die Diagnose sind, fehlt eines dieser Leitsymptome, kann die Diagnose „Lipödem“ nicht gestellt werden.
Lipödeme werden nach dem Grad ihrer Ausprägung in drei Stadien unterteilt:
- Stadium 1: Die Hautoberfläche ist noch glatt, aber das Bindegewebe bereits erweicht.
- Stadium 2: Im Unterhautgewebe sind erste Knötchen spürbar. Die Hautoberfläche ist uneben und gleicht einer Cellulite. Erste Schmerzen treten auf.
- Stadium 3: Die Verhärtungen und die Verdickung des Gewebes nehmen zu. Auf der Haut zeigen sich deutliche Fettwülste und die Schmerzen verstärken sich.
Wie kann man Lipödeme behandeln?
Da Lipödeme oft erst spät erkannt werden und zuvor Übergewicht oder zu wenig Bewegung als mögliche Ursachen diagnostiziert werden, versuchen Patient*innen die körperlichen Veränderungen durch Sport, gesunde Ernährung und Diäten in den Griff zu bekommen. Der Erfolg ist dabei eher mäßig und nicht erfolgsversprechend. Sport und eine gesunde Lebensführung können die Erkrankung nicht aufhalten. Nichtsdestotrotz wird übergewichtigen Patienten eine Gewichtsreduktion empfohlen.
Eine medikamentöse Behandlung gegen Lipödeme gibt es nicht. Der Mediziner kann höchstens entwässernde Medikamente (Diuretika) zur Minimierung der Wassereinlagerungen verschreiben, wodurch aber lediglich eine kurzfristige Verbesserung erzielt wird. Weitere Möglichkeiten zur Linderung der Symptome sind das Tragen von Kompressionsstrümpfen sowie Durchführung regelmäßiger Lymphdrainagen.
Ab Stadium 2 können zur Behandlung von Lipödemen operative Eingriffe genutzt werden, wenn der Patient stark unter der Krankheit und den damit einhergehenden Schmerzen leidet. Hierbei findet eine gezielte Entfernung der krankhaften Fetteinlagerungen mittels einer Fettabsaugung statt. Dies ist die einzige Behandlungsmethode, die einen dauerhaften Erfolg verspricht.
Wann ist eine Fettabsaugung als Behandlungsform sinnvoll?
Ab Stadium 2 eines diagnostizierten Lipödems kommt eine operative Entfernung des krankhaften Fettgewebes durch eine sogenannte Liposuktion infrage. Bei der Operation wird das Gewebe zunächst mit einer Inflitrationslösung vorbereitet, um dann das überschüssige Fettgewebe mittels feinen Sonden abzusaugen. Der Eingriff wird in der Regel unter Vollnarkose und stationär durchgeführt.
Es sind in der Regel drei Termine in den ersten sechs Wochen nach der Operation nötig. Es gibt eine erneute Bildung von Fetteinlagerungen an den operierten Stellen, wodurch mögliche Folgeerkrankungen bekämpft werden. Nach dem Eingriff müssen Patient*Innen noch ca. 6-8 Wochen lang Kompressionskleidung tragen.
Obwohl die Fettabsaugung die einzige Behandlungsform mithaltender Wirkung ist, gehört sie nicht zur Standardtherapie bei Lipödemen. Dementsprechend wird die Liposuktion von den Krankenkassen sehr häufig als Schönheitsoperation eingestuft. Erst ab Stadium 2 wird die Operation von den Krankenkassen übernommen. Die Kosten von mehreren Tausend Euro müssen in den meisten Fällen von den Betroffenen selbst getragen werden, wobei sich einige Krankenkassen anteilig auch bei Stadium 1 und 2 beteiligen.